Mini-Flottille mit Sonnenschein und Shikari auf Ostseetörn gen Polen und Rügen vom 19.06. – 10.07.2015

 

 

Kaum hatten wir in der Marina Schwedt festgemacht und von Peter zu Steak und Erdbeer-Bowle auf dem Mittsommernachtsfest eingeladen worden, wurden wir mit prächtigem Feuerwerk begrüßt. Den tüchtigen Seefahrern zu Ehren!

Nachdem wir weder abends noch morgens den Hafenkapitän zu sehen bekamen (Büro-Öffnungszeiten in neu erbauten Hafen-Prachtbau 10:00 – 17:00h), ging es am Morgen bei Nieselregen (die Katzenwäsche im Klo hätten wir uns auch sparen können) weiter gen Stettin, Rainer heute auf Sonnenschein, der sich am Himmel allerdings heute kaum sehen ließ. Peter schwärmte von der wunderschönen Landschaft mit tiefen Wäldern und breiten Schilfgürteln des Oderbruchs. Er konnte sich heute entspannen, weil er nicht mehr ganz allein Stunde für Stunde die Pinne in der Hand halten musste. Sein Autopilot funktionierte nämlich nicht. Nun hatte Rainer Zeit, sich darüber herzumachen. Er musste allerdings bald aufgeben, weil die Hülse, die der Autopinne den nötigen Halt für die Steuerung geben sollte, dummerweise (mal wieder) den Weg ins Wasser gefunden hatte. Also Stoff für weitere Reparaturen an Land.

Am frühen Nachmittag erreichten wir den Hafen von Stettin und kurz danach die kleine Marina von Goczlaw – und siehe da, mit und bei Sonnenschein. Nach obligatorischem Wochenend-Kaffee-und-Kuchen ging es ans Maststellen – erst alle zusammen mit eigenem Bordgeschirr auf Shikari und dann auf Sonnenschein. Aber kaum war das geschafft, verdunkelte sich der Himmel und es fing wieder an zu pladdern – die ganze Nacht durch. Am Morgen hatte sich das Wetter dann wieder einigermaßen beruhigt. Während Björn sich mit der Straßenbahn am heiligen Sonntag (an dem im streng katholischen Polen alle Geschäfte in der Innenstadt Stettins geöffnet waren) auf Einkaufsfahrt befand, machte sich Rainer daran Peters Autopiloten auseinanderzunehmen. Nachdem der übergesprungene Zahnriemen wieder in Ordnung gebracht war, funktionierte sie wieder – zumindest einigermaßen. Allerdings wie sich später herausstellte, nicht bei Wellengang.

Am frühen Nachmittag ging es dann endlich weiter. Es wehte ein schöner Wind mir 3-4 bft, der uns in der Odermündung bald zum Segelsetzen aufforderte. Im Sonnenschein glitten wir immer in Sichtweite voneinander durch das Stettiner Haff, an den Fischernetzen entlang navigierend, dem östlichen Oderausfluss entgegen. Die Oder hat ja bekanntlich 3 Ausflüsse – von Ost nach West – die Dievenow und die Swine, die die Insel Wolin bilden und die Peene als westliche Abgrenzung der Insel Usedom. Aber aufgepasst: Flachwasser! Doch, da war es schon passiert. Shikari saß fest – der Navigator auf Sonnenschein mit I-Pad um den Hals zu weit weg, um zu warnen. Motor an, Vollgas – Motor aus… nachtanken… dann Pinne einmal hart Steuerbord, hart Backbord (wie in Holland reichlich geübt) und Shikari war wieder frei. Im weiteren Verlauf peinlichst genau auf die Tonnen achten, die dann die Fahrrinne zur Stadt Wolin markierten. Der Wind war gegen Abend eingeschlafen und wir glitten die letzten Meilen auf spiegelglattem Wasser dahin. Ab und zu flohen ein paar der vielen weißen Tupfer aus dem Wasser vor uns. Sie entpuppten sich als Schwäne, die mit klatschenden Schwingen und hektisch paddelnden Füßen starteten, bis sie mit ruhigen gleichmäßigen Schwingen majestätisch knapp über dem von der Abendsonne goldmamorierten Wasserspiegel dahinglitten.

Kurz nach 20 Uhr kam dann der trutzige Kirchturm von Wolin von der Abendsonne bestrahlt in Sicht. Ankunft 20:40h im relativ neu erbauten Yachthafen, natürlich kein Hafenmeister mehr in Sicht. Wir bekamen ihn auch am nächsten Morgen beim Ablegen nicht zu Gesicht (Öffnungszeiten 9 – 18h). Wolin ist eigentlich ein nettes Städtchen, wenn nur nicht die drei Plattenriesen in Ortsmitte das ganze Bild zerstören würden. Aber wenigstens gab es in einem der drei noch eine offene Pizzeria, in der eine Pizza mit 43 cm Durchmesser für die 3 hungrigen Seefahrer serviert wurde. Duschen und Toilette waren am nächsten Morgen nur mit Hilfe netter Bootsnachbarn möglich – nein sie mussten uns nicht eskortieren, sondern nur den Schlüssel für den außerordentlich bescheidenen Container zur Verfügung stellen.

Peter wartete natürlich wie immer eine halbe Stunde vor Brückenöffnung vor der Woliner Klappbrücke, so dass Rainer und ich uns auch sputen mussten. Dahinter ging es unter der Eisenbahnbrücke durch – aufgepasst: Durchfahrtshöhe 12,50 m – auch für Sonnenschein mit 9 m Masthöhe zwar kein Problem, aber Peter sah doch ängstlich in die Höhe, da die Perspektive gewaltig täuscht. Es folge eine Fahrt bei nieseligem, dunstigem Wetter durch den teilweise engen Tonnenstrich der Dievenow (Dziwnow) vorbei an weithin zu riechenden, von Kormoranen weißgekalkten Inseln mit gespenstig aus dem Dunst des Starkregens aufragenden Baumleichen. Eine perfekte Kulisse für einen Zombie-Streifen.

Aber unter den Wolken kam wieder ein schöner Wind auf, so dass wir alle Hände zu tun hatten, unter Segeln durch die kurvige Fahrrinne zu manövrieren.

Da wir dann, wieder bei Sonne, in Dziwnow angekommen auf die Brückendurchfahrt warten mussten, legten wir zu einer kurzen Pause an einem kleinen gebrechlichen Angler-Anleger an, um uns die Reste von Nachbarin Heike`s fantastischer Himbeer-Schmand-Torte munden zu lassen. Dazu Magda`s kroatischen Kaffee, von Peter frisch und natürlich besonders liebevoll gebrüht. So gestärkt konnten wir die Brücke um 14:00 h passieren, um von einem vollkommen neuen Yachthafen überrascht zu werden, der uns natürlich zum Bleiben einlud.

Er war selbst in unseren Delius-Klasing-Karten und der App vom NV-Verlag von 2014/15 noch nicht verzeichnet (wahrscheinlich schreiben alle voneinander ab!). Empfang bei fantastischem Sommerwetter mit 27° Grad rechtzeitig zum Sommeranfang!

Peters Traum und Ernüchterung - Die Ostsee zeigt ihre Launen

Unser Yachtie Peter platzt bald vor Aufregung, jetzt endlich mit seinem Sonnenschein die Ostsee erkunden zu dürfen. Endlich am Ziel seiner schlaflosen Nächte! Also geht es – wir hatten den Vormittag unseres 5. Tages mit Erkundigungen und Einkäufen etwas vertrödelt – zunächst mal wir drei auf Sonnenschein zum Schnuppertörn auf die Ostsee. Peter kriegt sich kaum ein vor lauter Lobpreisungen über die weite See, auf der sich seine schöne Yacht jetzt wie von allen Fesseln befreit bewegen darf. Alles läuft glänzend. Am nächsten Tag soll es dann weiter gehen nach Kolberg (Kolobrzeg). Zunächst müssen natürlich Karten und Ausrüstung sondiert werden für den ersten ernsthaften Ausritt.

Björn hatte noch auf seiner Shikari zu tun. Alte Boote sind wie alte Leute. Sie brauchen immer ein bisschen Zuwendung und Pflege. Und wenn die nicht kommt, werden sie eben krank, damit man sich selbstverständlich liebevoll um sie kümmert. In dem Fall war es ein unerklärliches Leck in der Dieselleitung, das trotz wochenlanger Inspektion noch nicht behoben war. „Jetzt hab ich`s“ jubele ich Rainer entgegen. Aber am nächsten Tag war doch wieder Diesel in der Bilge, diesmal vermischt mit Wasser, das ebenso unerklärlich war. Es hielt bis zum Ende der Fahrt an.

Am Morgen hat das Wetter wieder umgeschlagen! Ohne Vorankündigung und Vorhersagen! Es bläst wider alle Wetterberichte mit Windstärke 5-6 direkt aus Nord. Wie häufig war vor Legerwall gewarnt worden bei Wind, der direkt auf die Küste bläst und erhebliche Brandungswellen und Kreuzseen bis tief in die Hafeneinfahrten verursachen kann.

Schließlich entschließen wir uns gegen Mittag, nur mit gereffter RollFock zu einem Probeschlag auszulaufen, denn im Hafen sieht es noch gar nicht so wild aus. Peter und Rainer auf Sonnenschein und ich allein auf Shikari, da ich mit Einhand doch schon einige Erfahrung habe. Ich laufe unter Motor etwas zu schräg aus der Hafeneinfahrt aus – hatte ich mich nicht richtig informiert oder bin ich zu blöd? Es kommt wie es kommen muss. Kurz vor der offenen See erwischt mich noch die letzte Brandungswelle, die sich mit voller Wucht und Kanne auf mein kleines Boot wirft. Einen Moment sehe ich gar nichts mehr außer viel schäumenden Wassers. Aber Shikari mir ihrer Nord- und Ostseeerfahrung schüttelt sich einmal kräftig, Badewanne voller Wasser in der Plicht, ich klitschnass, aber nur unten, meine Seglerjacke hat dicht gehalten. Eh ich`s versehe, ist das Wasser wieder durch die Selbstlenzer abgelaufen und Shikari düst tapfer unter Motor weiter der offenen See entgegen. Durch den Nordwind haben sich gewaltige Wellenberge gebildet. Ich lasse nun zumindest die Rollgenua fast ganz ausrauschen. Shikari kämpft sich durch die anrollenden Wellen. Ich bin gleich wieder voller Tatendrang. Jetzt habe ich auch Zeit wieder nach Sonnenschein zu sehen, die vorsichtig nur mit halber Fock in einiger Entfernung durch die Wellen schaukelt. Ich nehme genug Fahrt auf, aber nur mit Fock ist es natürlich schwierig gegen den Wind zu kreuzen. Ich lande immer wieder an derselben Stelle, habe Lust, das Groß zu setzen, aber erstens ist es jetzt in den Wellen einhand schwierig und zweitens sehe ich aus dem Augenwinkel, dass Peter und Rainer wieder der Hafeneinfahrt zustreben. Also zurück, Fock eingerollt und unter Volldampf durch die Brandung in die Hafeneinfahrt.

Wieder im Hafen war natürlich alles halb so schlimm und wir spinnen an diesem Abend bei ein, zwei, drei Gläschen Bacardi-Cola unser erstes Seemannsgarn.

Am nächsten Tag hatte sich der Wind auf gut beherrschbare 4 bft aus WNW später 3-4 aus W beruhigt. Es ist zwar noch eine flotte Dünung vorhanden aber bei angenehmem Wetter mit Sonne auch für Sonnenschein gut navigierbar. Wir segeln in holder Eintracht in Sichtweite gen Mrzezyno, ein einfacher Kurs nur der Küste ostwärts folgend. Peter segelt heute allein und genießt offensichtlich den ersten richtigen Schlag auf der Ostsee. Er kreuzt vergnügt immer in einiger Entfernung vor uns her und schließt zu uns auf, als wir in die Hafeneinfahrt einbiegen. Er ist so glücklich, dass er uns wieder zu Kaffee und Kuchen in der kleinen einfachen Marina von Mrzezyno einlädt. Die kleine polnische Stadt ist voll von Sommergästen. Die Nacht im Hafenbecken parallel zum Flüsschen Rega ist etwas unruhig, da durch die gerade Hafeneinfahrt die Wellen der Ostsee bis zum Hafen reichen, um dann die Boote gegen die Poller zu drücken.

Am Morgen wieder ein herrlicher Sommertag. Beim kurzen Stadtbummel kaufen wir die ersten Kirschen des Jahres. Aber Peter hat keine Ruhe, er ist ganz heiß aufs weitersegeln, also weiter nach Kolberg. Ohne weiter zu warten ist er schon aus dem Hafen raus. Er kreuzt wieder sorglos vor uns her und ist so übermütig, dass er unbedingt testen muss, ob seine 20 m lange, gelbe Schwimmleine, die er nach Achtern ausgebracht hat, auch im Notfall lag genug wäre. Dazu lässt er sich selbst achtern ins Wasser gleiten („natürlich“ festgebunden an einem anderen Ende, wie er uns später versichert), um festzustellen, ob er die Schwimmleine fassen kann. Und tatsächlich, sie ist im Ernstfall zu kurz, wie er voller Stolz berichtet. Er gelangt offensichtlich aber doch wohlbehalten wieder an Bord seiner Yacht, die ihn derweil unter Segeln abgeschleppt hatte. Jetzt wissen wir es: Eine Schleppleine muss mindestens 40 m lang sein! Wie er das getestet hat, bleibt uns weiterhin schleierhaft. Trotzdem atmen wir tief durch, als er uns das später auf der Terrasse der attraktiven Marina von Kolberg beichtet.

Aber auch ich habe meinen Teil zu ersten Erlebnissen beizutragen. Natürlich haben auch Rainer und ich es uns gut sein lassen und das gesamte, in Mrzezyno gekaufte, Kilo Kirschen verdrückt (ich wohl die meisten). Kurz vor der Hafeneinfahrt bekomme ich die ersten Wehen. Dann die zweiten und ich weiß, dass ich nicht mehr durchhalten kann. Also: „Rainer übernehme mal die Pinne, ich muss mal eben blankziehen!“, über die Reling, glücklicherweise gen offenes Meer außer Sichtweite der Strandgäste.

Einen Tag gönnen wir uns Strandurlaub in Kolberg, obwohl das Wetter sich wieder eingetrübt hat, aber es ist noch warm, so dass es Spaß macht das polnische Strandleben mit Musikfestival und netten Strandkneipen zu erleben. Wir entscheiden uns aber nach reiflicher Überlegung nicht weiter gen Osten zu segeln, da die Küste keine große Abwechslung, geschweige denn nette kleine Buchten zum Ankern und Angeln, wie wir das vorgehabt hatten, bietet. Also Kehrtwende marsch, um Rügen zu erobern.

Entgegen aller Wettervorhersagen hat es am 26.06., unserem 8. Tag wieder ordentlich aufgebriest. Der Wind bläst kräftig mit 4-5 bft aus NW, also Am-Wind-Kurs zurück nach Dziwnow. Peter war schon den ganzen Morgen unruhig, verweigert unsere Einladung zum Frühstück und ist bevor wir uns versehen schon aus der Hafeneinfahrt raus. O.K. er will es so. Wir holen ihn aber bald ein. Hart am Wind Kurs ist nicht unbedingt Peters oder Sonnenscheins Sache. Richtig Fahrt nimmst du nur auf, wenn du die Segel richtig dicht knallst. Das schien Peter nicht zu gelingen. Shikari läuft wie verrückt. Die Wellen, die immer höher werden – bis ordentliche 2,5 m – machen ihr überhaupt nichts aus. Das Deck wird nur auf der Leeseite gewaschen. Kaum eine Welle kommt über. Aber… wo ist Peter? Er bleibt immer weiter zurück bis er nur noch als kleiner Punkt zu erkennen ist. Wir hatten aber verabredet in Sichtweite zu bleiben. Ich sage zu Rainer: „Ruf mal den Peter über Handy an!“ „Der meldet sich nicht, der hat wohl alle Hände voll!“ kam die spontane Antwort. „Ich glaube eher, der hat die Hosen voll!“ lästerte ich in meiner Noch-Hamburger Art - fast in Vorahnung.

Also wohl oder übel, Fahrt rausnehmen, bis wir fast stehen, was uns natürlich bei den Wellen gar nicht so gut bekommt. Rainers Gesicht färbt sich leicht blässlich. Er verweigert jegliche Aufmunterung und Nahrungsaufnahme, sogar ein schönes Stück Schokolade. Schließlich entschließe ich mich, da Peter immer noch zu weit weg ist, unter Motor und Segeln zurückzueilen. Aber zu unserem Erstaunen hat Sonnenschein jetzt Fahrt aufgenommen, so dass wir sie, als wir sie erreichen und gewendet haben, kaum noch verfolgen können. Peter sitzt wie versteinert in seiner Ecke und ruft uns irgendetwas wie „Kann nix machen…Fockschot…!?“ herüber.

Wir müssen ihn ziehen lassen, denn wir wollen nicht weiter unter Motor laufen. Aber unser schöner Kurs ist auch dahin, wir sind durch das Manöver zu weit abgefallen.

Um nicht in die Brandungswellen zu kommen, müssen wir immer härter an den Wind. Peter scheint davon unbeeindruckt, obwohl er noch näher an der Brandung fährt, und entfernt sich in Windeseile.

Kurz vor der Hafeneinfahrt Dievenow müssen wir wieder motoren. Aber nun stockert auch noch unser Diesel. Wir quälen uns in den Hafen, nur mit halber Kraft über die Kreuz-Seen vor der Hafeneinfahrt.

Im Hafen erklärt und zeigt uns Peter dann, was passiert war. Der Bolzen von Vorstag und Rollreff war am Masttop gebrochen, so dass der Mast nur noch durch das Fock-Fall gehalten wurde, das aber auch schon halb durchgescheuert war. Also war er mit voller Kraft voraus mit seinem Außenborder weitergelaufen, unbeweglich in der einen Hand die Pinne, in der anderen Hand das Ende des Falls, als ob er damit im Notfall den Mast hätte halten können!?

Am nächsten Morgen muss ich den Dieselfilter wechseln, während sich Peter unter tatkräftiger Unterstützung Rainers, einiger Skipper und polnischer Fischer daran macht, das Vorstag zu reparieren. Ich komme gerade dazu, als der letzte von vielen schon abgewiesenen Helfern, ein polnische Fischer, mir einer Megarohrzange versucht, den Beschlag umzubiegen, um einen weiteren Schäkel anbringen zu können. Nachdem er das geschafft hat, wird er von Peter vor lauter Begeisterung zum Fregattenkapitän geadelt. Ich sehe mir das an und äußere bescheiden: „Das kann so nicht funktionieren mit 2 Schäkeln am Top“. Rainer und die anderen Mitsegler hatten allerdings auch schon Ähnliches geäußert, aber dann aufgegeben. Aber Peter zieht unbeirrt, den Mast wieder hoch, nur um dann doch feststellen zu müssen, dass sich die Rollfock so nicht bewegen lässt. Also wieder runter damit und diesmal richtig angeschlagen. An diesem Tag werde ich dann von Peter zum Konter-Admiral geadelt und es gibt Whiskey-Cola satt, bis Peter aufgeben muss. Rainer und ich sitzen danach noch mit anderen Yachties bei einigen Bierchen in der lauen Sommernacht auf der Terrasse der Marina, ich glaube bis 3 h morgens - es dämmerte schon wieder. Wir hatten ja reichlich zu erzählen und Seglerweisheiten auszutauschen. Der Hafenkneipier freute sich über den ersten richtigen Umsatz des Jahres und wir am nächsten Morgen etwas weniger über unseren dicken Kopf. Trotzdem geht es weiter gen Westen.

Sommer, Wind und Abenteuer - von Pommern nach Rügen

Glücklicherweise haben wir heute an unserem 12. Tag nur einen kurzen Törn bis nach Swinemünde vor – mein Kopf brummt. Aber nach herrlichem Frühstück auf Shikaris Sonnenterrasse genießen wir dann bei lauen Winden 3-4 bft aus NW unsere Seereise entlang der strahlenden Ostseeküste vor der Insel Wolin – die uns mit ihren sanften Hügeln und tiefgrünen Wäldern zum Besuch einzuladen scheint. Bunte Ein- und Zweimaster kommen uns entgegen mit prall gefüllten, farbenprächtigen Spinnakern. Sonnenschein zockelt gemütlich hinter uns her. Irgendwann lässt uns aber dann der schöne Wind im Stich und einige Meilen vor der Mole von Swinemünde müssen wir wieder den Motor bemühen. Und ich muss mir eingestehen, dass ich wohl den falschen Dieselfilter gewechselt habe, denn der Volvo Penta bekommt wieder Hafenpanik. Er schafft es dann aber doch in die Riesenmarina vor dem Swinemünder Hafen durch die lange Hafeneinfahrt. Wir können uns jeweils einen Platz aussuchen, rechtzeitig wieder zur Kaffee-und-Kuchen-Zeit – vom glücklichen Peter spendiert. Wir haben genug Zeit durch den Wald und am Stand bis zur Swinemünder Promenade zu laufen, an der sich im Gegensatz zu unseren Strandbädern viele junge Leute und Familien tummeln. Die Häuser sind liebevoll renoviert, man hört Musik und einige Lokale laden zum Tanz ein, was regen Zuspruch findet. Da wir unbeweibt sind, lassen wir uns in einer einfachen Fischkneipe nieder und genießen die Spezialität „Aalquappe“, ein knusprig gebratener Knochenfisch ganz ohne Gräten. Mhmm…, lecker!

Für den nächsten Tag steht Rügen auf dem Programm. Wegpunkte in den Plotter eingegeben, insbesondere für die uns unbekannte Durchfahrt bei Ruden. Wir müssen uns eingestehen, dass wir doch nicht so gut mit Kartenmaterial ausgerüstet sind, wie wir uns vorgenommen hatten. Erst während der Fahrt stellte sich heraus, dass meine NV-Plotter-Karten zwar für alle anderen aber gerade nicht für meinen Lawrence Elite passt. Und Peters neu erworbener I-Pad-Plotter funktionierte wegen fehlenden Funk-Netzes auch nicht in Polen. Aber man weiß sich ja zu helfen. Da wir uns immer in Küstennähe bewegen, kann ich die Wegpunkte aus der Karte auch ohne eine im Plotter hinterlegte Karte in den Lawrence eingeben. Es ist nur etwas umständlicher, die Winkel-Minuten und -Sekunden für Längen- und Breiten-Grade auf der Karte abzulesen und dann im Plotter als Wegpunkte einzugeben. Aber wieder mal eine ganz gute Übung die alten Kenntnisse zur Karten-Navigation hervorzukramen, die man aus Bequemlichkeit heute kaum noch anwendet. Wie war das noch? Wo liest man noch die Meilen auf der Karte ab? Ach ja, am rechten oder linken Kartenrand und 1 Winkelminute war doch 1 Meile, oder? Peter ist fasziniert davon, dass das funktioniert und wir später haargenau jede Tonne ansteuern, da das GPS natürlich auch ohne hinterlegte Karten exakt die Zielführung übernimmt.

Also ab geht es, raus aus der Hafeneinfahrt von Swinemünde und raus auf die Ostsee! Wie schön kann segeln doch sein bei idealem Halbwindkurs 3-4 aus N, später 4-5 auf ONO drehend. Shikari läuft so fantastisch, das Sonnenschein sich sputen muss, hinterher zu kommen. Die kurvige Fahrrinne vor der Insel Ruden ist spannend mit ständig wechselnden Segelstellungen. Unsere Wegpunkte entsprechen exakt dem Tonnenstrich. Das ist Segeln vom Feinsten! Ideal für 3 alte Burschen. Der letzte Schlag vor der Einfahrt in die Bucht nach Gager endet in einer kleinen, rauschenden Wettfahrt, bei der Sonnenschein ihren 1´ Längenvorsprung dann doch voll auskostet und gewinnt.

Nach dem Abendessen bei Sonnenuntergang, diesmal in Shikaris Plicht, darf ich mal wieder die Eingeweide meiner kleinen Yacht etwas hätscheln. Beim Abwaschen fällt auf, dass die Frischwasserpumpe nicht geht. Rainer und ich nehmen sie gemeinsam auseinander. Wir fragen uns, warum da so eine komplizierte Diaphragma-Pumpe eingebaut ist, wie unser Chief-Ing. gleich scharfsinnig erkennt. Wie auch immer, wir setzten sie wieder zusammen, aber sie ist noch undicht. Rainer gibt auf und begibt sich in die Koje. Ich bastele noch die halbe Nacht an der Pumpe herum, bis ich es schließlich geschafft habe und die Pumpe wieder läuft. Das Ganze bei sanften Klängen leiser klassischer Musik aus den Lautsprechern, nur ab und an übertönt von Rainers wohligen Schnauf- und Stöhn-Lauten aus der Koje.

Peter ist am nächsten Tag noch einigermaßen geschafft von seiner Einhand-Segelei und reklamiert bei dem herrlichen Sommerwetter einen Tag Badeurlaub am schönen Strand von Gören. Wir leihen uns Fahrräder in der Kurverwaltung und ich nutze die Gelegenheit zu einem Großeinkauf bei Aldi in Baabe, denn wir hatten noch einen großen Traum: Lagerfeuer nach Pfadfinderart (vor gefühlten 100 Jahren waren wir das alle 3 einmal) an der Steilküste – allein wir drei Neandertaler. Ich hatte die wichtigsten Zutaten besorgt und frischen Fisch bei den Gagerner Fischern. Auf eigenen Fang wollen wir nun doch nicht noch warten. Das Placet der Kurverwaltung für das Lagerfeuer hatten wir unter Einschränkungen: „Aber lassen Sie sich nicht von den Rangern erwischen!“

Wir fahren mit den Fahrrädern auf die Anhöhe bis es nicht mehr weiter geht. Dann absteigen und laufen, aber die Steilküste wird immer höher. „Hier kommen wir nie runter“. „Da unten gibt’s gar kein Holz“ monieren die Beiden. Ich kontere schmunzelnd: „Kommt, gleich geht’s da runter, ich kenn mich hier aus“. Und tatsächlich können wir uns bald über eine steile Sandpiste mehr rutschenderweise ans Wasser hangeln. Ideale Bedingungen! Eine Feuerstelle wird direkt am Wasser geschaffen, Wackersteine bewegt und Holz von toten Bäumen geschultert. Als das Feuer brennt gibt`s Sekt, Wein, Bier und allerlei Spezereien als au d`oevre vom Feinsten. Der Fisch und Kartoffeln schmurgeln (lange) auf bzw. im Feuer. Dazu dann ein Bad in der Ostseebucht, so wie uns der Herr erschaffen hat, stolz auf uns und unsere Boote im Hintergrund, die uns hierher gebracht hatten.

Nach Sonnenuntergang um 23:30 h kehren wir im letzten Büchsenlicht gestärkt und glücklich heim auf unsere Schiffe… und dann geht der große weiße Vollmond gegenüber dem noch gelb, rot, rosa, lila marmorierten Horizont in seiner ganzen Pracht auf. Wie schön kann das Leben doch sein, wenn man ein Segelboot hat, worauf man sich so unmittelbar in dieser herrlichen Natur zurückziehen kann!

Alte Männer müssen nachts mal aufstehen! Um 4:40, normalerweise mitten in der Nacht. Aber heute Morgen ist das ein Gewinn. Die Sonne geht auf, der Himmel in ONO zunächst rosa-lila gefärbt und dann erscheint der güldene, lebensspendende Feuerball… und direkt gegenüber in WNW, noch ziemlich hoch am Himmel der weiß leuchtende Erdtrabant, dem das Leben auf Erden so viel zu verdanken hat. Noch voller Rührung und Andacht darf ich mich wieder in meine Koje kuscheln.

Am Morgen Lagebesprechung. Peter entscheidet sich nun doch für uns und gegen die Notwendigkeiten seines Familienbetriebes. Er will mit uns den Törn zu Ende segeln – weil er dann auch noch was von Navigation lernen kann, wie er sagt. Heute geht es nur eine Bucht weiter in die großzügig ausgestattete Marina von Lauterbach. Der Wind ist etwas abgeflaut auf 2-3bft NO, ein etwas schwieriger Kurs gegen die Windrichtung. Ich habe die Karten (wir haben auch nur einen Kartensatz von Rügen, da wir ursprünglich nur gen Osten segeln wollte) und Rainer das I-Pad. Ich versuche die Beiden auf Sonnenschein per Handy auf Kurs zu trimmen, mehrfach! Aber keine Reaktion. Peters Yacht läuft nach Karte über Untiefen und ungeräumte Minenfelder. Im Hafen gibt es leichten Ärger. Rainer will aussteigen, weil er meint, irgendwer hätte wohl zu scharf gepfiffen… und der Wind konnte es heute wohl nicht gewesen sein! Aber nach Fish & Chips und anschließendem Caipi im historischen Fischereihafen von Lauterbach haben sich die Kumpel dann doch wieder vertragen.

Heute am Sonntag bei Traum-Sommer-Wetter bittet Rainer um Ausgang, da er per Handy erfährt, dass Tochter Steffi mit Enkelin Mia zufällig auch auf Rügen weilen. Peter will den Hafen unsicher machen und ich fahre mit Rainer bei perfektem Strandwetter (30° Grad, in Berlin bis 36°Grad) mit dem rasenden, dampfbetriebenen Roland nach Binz. Opa Rainer ist sichtbar gerührt, mit Mia im Sand buddeln zu können. Am Abend dann geht’s in rasender Dampffahrt zufrieden wieder zurück.

Was ist aber das Strandleben schon gegen die große Freiheit auf dem Wasser!

Dunkle Sturmwolken ziehen auf – von Greifswald bis Ziegenort

Am nächsten Tagen soll sich etwas zusammenbrauen. Nicht nur, dass der Wetterbericht stürmisches Wetter voraussagt: In Böen bis Windstärke 10! – das ist heftig, das wird Sturm! Nein, Rainer erfährt darüber hinaus von seiner Frau Suat, die über hellseherische Fähigkeiten verfügen soll, dass sie in einem Traum Unheil für einen von uns voraussah. Sie meinte, es könnte Peter gewesen sein. Aber, wer glaubt denn schon an so etwas. Trotzdem, Vorsicht ist geboten! Wir stecken unsere weitere Törnplanung so ab, dass wir vor dem großen Sturm zumindest die Odermündung erreicht haben werden.

Die Fahrt nach Greifswald geradewegs über den Bodden beginnt ruhig mit Wind aus West 2 bft, dann Flaute, als ob einer tief Luft holen wollte, um danach umso kräftiger los zu blasen. Es folgt aber erst einmal auffrischende Brise aus NO. Ein wunderschöner Sonntags-Nachmittag-Kaffee-Segel-Wind bis 4 bft aus der richtigen Richtung. Das muss man erlebt haben. Sonnenschein und Shikari inmitten vieler großer und kleiner Yachten, die unter vollen Segeln und geblähten, farbenprächtigen Spies vom Bodden kommend der alten Hafenstadt Greifswald entgegen streben. Vor der alten hölzernen Klappbrücke, die immer noch im Handbetrieb bewegt wird, die Segel runter.

Ich setze mich durch und wir biegen nicht gleich in eine der ersten Marinas ein, sondern tuckern durch bis kurz vor den historischen Stadthafen. Wir finden ein ideales Plätzchen direkt an der modernen Hansa-Yacht-Werft, von wo aus wir die Altstadt erlaufen können. Wir lassen es uns noch einmal richtig gut gehen, Stadtrundgang, Dombesuch, Eis-Essen auf historischem Marktplatz, leckeren Fisch am Museums-Hafen und anschließend wie Rainer in Logbuch schreibt: „Flüssiger Abend“. Peter hat mal wieder die Spendierhosen an!!

Die beiden Jungs hatten es wohl doch nicht ganz ernst gemeint mit dem frühen Aufstehen. Selbst Peter ist noch nicht hoch! In der Nacht hatte es schon ordentlich gekachelt. Starkwind bläst und dunkle Wolken fliehen über unsere Yachten. Wir wollen die Klappbrücke vor 8:00 h erreichen, also sputen, Katzenwäsche, dann los. Shikaris Volvo spinnt wieder, werden wir die Brückenöffnung schaffen? Dann aber Entwarnung. Erste Öffnung montags um 9:00h! Gut so! Zeit, noch mal die Wegepunkte nach Karte exakt zu überprüfen und Reffregeln durchzugehen.

Rainer bleibt bei Peter. Ich habe etwas mehr Erfahrung mit Einhandsegeln. Ab Bodden-Gewässer Windstärke 5-6 bft, in Böen 7-8, direkt von Achtern. Bei der kabbeligen See ein etwas unglücklicher Kurs. Schmetterlingsegeln ist angesagt. Shikari fühlt sich mal wieder in ihrem Element. Sie meistert die Wellen mit Bravur und rennt schneller als erlaubt – bis 7,9 kn über Grund im Vorwindkurs. Bei 6,8 m Wasserlinie gehen theoretisch nur 5,8 kn! Die Crew auf Sonnenschein fühlt sich sichtbar unwohler. Die Segel flattern. Aber auch ich muss aufpassen. In einer Böe reißt es mir das Groß herum und wenn ich meinen Arm nicht gerade in dem Augenblick los gelassen hätte, hätte der Großbaum ihn gleich mit abgerissen. So tut es nur etwas weh und der kräftige Karabinerhaken am Großschot-Treveler ist aufgebogen. Man muss eben bei dieser Segellage aufmerksam bleiben und nicht auch noch fotografieren! Die Kielbombe von 850 kg hält Shikari auf Kurs bei annehmbarer Krängung. Wir sind nahezu das einzige Schiff mit vollem Zeug. Sonnenschein bleibt zurück mit gefierten und flatternden Segeln. Ich würde es wahrscheinlich genauso machen bei dem Ruderdruck, den die Neptun erzeugt und nur Schwert statt Kiel. Wir laufen in die Peenemündung ein und selbst bei Landabdeckung zeigt mein Windmesser in der Spitze bis 33 Km/Std (7 bft) an. Kein anderer Segler holt uns an diesem Tag ein.

Ich erreiche die gewaltige Straßen-Klapp-Brücke von Wolgast und berge gerade die Segel, da rappelt mein Handy. Rainer: „Wir sitzen fest bei Tonne PN 42“. „O.K. ich komme und zieh euch raus!“
Ich setze das Groß und düse die 2 Meilen zurück. Sonnenschein sitzt hilflos in der „Muskiste“. Unsere Vereinskameraden hätten gelästert: „Der wollte Land kaufen! Und… schon Steuern bezahlt?“ Das kam später: an die DGzRS.

Aber bis dahin dauert es noch ein ganzes Weilchen. Alle Versuche, Sonnenschein abzuschleppen, helfen nicht, das Schwert lässt sich nicht aus dem Schlamm ziehen, auch ein zu Hilfe gerufenes Motorboot schafft es nicht. Aber der Fahrer verständigt die Hafenpolizei und die die SAR – den Seenotrettungskreutzer. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis er aus Richtung Peenemündung auftaucht. Aber diese routinierten Retter schaffen es, Sonnenschein wieder in Bewegung zu setzen. Peters großzügige Spende an die DGzRS ist sozusagen die Anzahlung auf die „Grundstückspacht“ plus Schnäpschen für die Seenot- Retter, versteht sich. Wir erreichen die Wolgaster Klappbrücke noch rechtzeitig vor Öffnung um 14:30 h.

War das schon Suat`s schlechtes Omen für Peter? Wir hoffen es. Der Wind flaut ab und wir erreichen gen Abend eine der idyllischsten kleinen Marinas im Usedomer Achterwasser: Rankwitz. Wir werden bestens bewirtet im gepflegten Gartenrestaurant und sind vom purpurrot gefärbten Himmel des Sonnenuntergangs fast so begeistert wie von der attraktiven Bedienung – alte Schwerenöter!

„Auf, auf Jungs, die Klappbrücke in Zecherin wartet nicht auf uns“ sporne ich meine Kameraden an. Ohne Frühstück nur mit Katzenwäsche geht’s um 7:45 h wieder los. Um 9:00 h ist Brückenöffnung. Enge Fahrrinne und Wind direkt von vorn heißt motoren. Shikaris Motor stockert immer noch, die Minuten verrinnen, aber dann schaffen wir es doch mit Bravur (Brücke öffnet erst um 9:40 h, na besser zu früh als zu spät). Hinter der Brücke erst mal Kaffeepause. Dann bei flauem Wind ins Stettiner Haff. Peter nutzt die Flaute mal wieder zum Baden. Glücklicherweise diesmal mit Rainer an Bord.

Durchs Haff hält sich Sonnenschein diesmal peinlichst an den Tonnenstrich. Peter - und wohl auch Rainer - sitzt der Schrecken des Steckenbleibens noch tief in den Gliedern. Trotz mehrfacher Beteuerungen meinerseits, ich hätte sichere Wegpunkte gesetzt, halten sich beide fortan an die Tonnenmarkierungen, die offizielle Fahrrinne in die Oder, vorbei an regem Verkehr von Frachtern und Fahrgastschiffen.

Ich erreichte unser Ziel Ziegenort ca. 1 Std. vor den Beiden trotz Umfahrung der vielen, z.T. schlecht gekennzeichneten Fischernetze. Trotzdem hatte ich Sonnenschein, wenn auch am Schluss nur noch als winzigen Punkt zwischen den riesigen Fahrwassertonnen der Odermündung, nie aus den Augen verloren. In einer netten Kneipe gab`s heute mal wieder Aalquappe, serviert von dem wohl liebreizendsten, fröhlichsten und hilfreichsten Mädel im Polenland: „In einem Polenstädtchen sah ich ein Polenmädchen….“

Schluss mit lustig, zurück in Kälte und Sturm – von Ziegenort zurück

8.7.2015, 6:40 Uhr morgens! Ich wache auf und höre die Fallen klappern. Es hat ordentlich aufgebrist und ich denke: Vielleicht können wir unseren Plan doch noch umschmeißen und bis Goczlaw die Oder hoch segeln, anstatt hier schon den Mast zu legen. Ich weiß, dass Peter immer früh dran ist. Ich will ihn dazu bewegen, den Mast noch stehen zu lassen. Peters Yacht liegt gut 100 m von uns entfernt am Hauptkai. Ich laufe zu ihm hinüber und sehe, dass seine abgeschlagenen Segel schon auf dem Kai liegen. Schade! Denke ich. Aber was ist das? Als ich näher komme, sehe ich wie Peter im Begriff ist, den Mast allein zu legen. Mir bleibt das Wort: „Warte!!“ im Hals stecken. Eine gewaltige Böe erfasst Boot und Mast, Peter stolpert, fällt, das Ende der Mast-Hebe-Talje rutscht ihm aus der Hand und der Mast… fällt… kracht auf den Auflagebügel achtern und schärt sauber ab. Ich schlage meine Hände vors Gesicht. Das war`s wohl: Suat`s Traum, das Omen! Aber glücklicherweise ist Peter nichts passiert. Wir nehmen uns gegenseitig in den Arm und verweilen. Es tut mir so leid für diesen agilen, tapferen Kamerad und Freund.

Wir bergen das ganze Zeug und tuckern nun doch mit Motor los. Hinter uns ziehen schwarze Wolken auf und verdunkeln den Himmel. Kurz vor Stettin können wir kaum die Hand vor Augen sehen, Staub, Gischt, Dunkelheit und dann gießt es wie aus Eimern. Gewaltige Böen jetzt, wie vorgewarnt, mit geschätzten 10 bft drücken uns von querab, so dass wir die Mastbefestigung vor Umstürzen sichern müssen. Vielleicht war der Mastbruch das kleinere Übel! Was wäre sonst passiert?

Bis zum Ende unserer Fahrt hat uns das Aprilwetter wieder. Schreckliche 13-16° Grad und ein kalter, schneidender Gegenwind auf der gesamten Kanalfahrt. Auch die Marina Gartz kann uns trotz Sauberkeit, Ordnung und freundlicher Begrüßung durch den holländischen Pächter nicht aufmuntern. Das Essen in der Kneipe in Gartz ist genauso grausam.

Das Hebewerk lässt uns extrem lange Warten, so dass wir letztendlich um 20:00 h halb erfroren in der Marina Marienwerder Schutz suchen und gerade noch die beiden letzten Plätzchen ergattern. Es ist verrückt nach der Hitzewelle der vergangenen Woche: 13° Lufttemperatur und gefühlte 24 Grad Wassertemperatur! Also zumindest Karibisches Wasser. Darauf 1-2-3 Caipiriñas zum Abschluss!

Am letzten Tag, den 10. Juli, laufen wir um 14:30 h beim VSS bei trüben Wetter und eisigem Wind in unsere Bootsstände ein. Keine Seele zur Begrüßung zu sehen. Gut so, denke ich, wie Gewinner sehen wir nicht gerade aus. Aber was soll`s. Es war ein großartiges Erlebnis, was hätten wir sonst auch zu erzählen?

Nur solche Törns haben das Zeug für alle Ewigkeit das beste Seemannsgarn in den langen Wintermonaten am Kamin zu spinnen: Weißt du noch… die riesen Aalquappen!… beinahe Kenterung im Legerwall!… mit dem letzten Faden in der Hand den Mast gegen Wellen und Sturm gehalten!… und wenn sich der Tampen beim Baden gelöst hätte? … fast hätte ich unterm Mast gelegen… sieh`ste, meine Suat hat`s geahnt… wir sind doch gleich neben der Tonnen steckengeblieben, oder?… und das polnische Madel mit diesen schönen … Augen….

Ende gut, alles gut: Sonnenschein ist stolz auf ihren neuen Mast und Peter glücklich, dass die Versicherung alles bezahlt hat. Der nächste Törn ist gesichert, gleich Atlantiküberquerung oder doch erst mal nur die Nordsee?

….Und Shikari wäre nach dem Absegeln fast noch abgesoffen, Wassereinbruch durch undichte Wellendichtung, der dann auf unerklärliche Weise wieder zum Stillstand kam. Na ja, sie will also auch im Winter gepflegt und gehätschelt werden. Genug zu tun! Mal wieder ein bisschen (an-)streicheln und befummeln, dann wird’s wieder gehen. Für den nächsten großen Törn muss sie dann aber wieder fit sein!!!